Was bringt der Weg zum Ernährungsmediziner?

Was bringt der Weg zum Ernährungsmediziner
Was bringt der Weg zum Ernährungsmediziner © Adobe Stock Von rh2010

Interview mit Frau Dr. med. Schwinger

Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Lebensmittelallergien und Verdauungsprobleme sind heutzutage nicht nur in aller Munde, sondern viele kämpfen tatsächlich mit dem einen oder anderen Ernährungsproblem. Gute Beratung ist in so einem Fall das Um und Auf für eine rasche Genesung. ISSGesund hat zu diesem Thema Ernährungsmedizinerin Dr. med. Sonja Schwinger zu Wort kommen lassen und interessante Einblicke für Sie gewinnen dürfen.

Das Problem der modernen Ernährung

ISSGesund: Frau Dr. Schwinger, Sie führen eine eigene Praxis und haben jahrelange Erfahrung in der Ernährungsmedizin. Wo liegt das Problem in der heutigen Gesellschaft, was die Ernährung betrifft? Dr. Schwinger: "Wenn Ernährung zu einem gesundheitlichen Problem wird, hat das mehrere Ursachen. Auf der einen Seite verändern sich unsere Ernährungsgewohnheiten – wir haben weniger Zeit zur Verfügung, um überlegt und regelmässig zu kochen (der Griff zu Fertigprodukten oder dem belegten Weckerl ist einfacher) und in Ruhe zu essen – gut gekaut ist halb verdaut! Gleichzeitig verändert sich die ursprüngliche Qualität der Nahrungsmittel. Auf der anderen Seite gibt es Faktoren, die die Darmschleimhaut nachweislich verändern und damit die Aufnahme der durch die Nahrung zugeführten Nährstoffe. So kommt es zustande, daß wir zunehmend Mangelerscheinungen an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen im Blut nachweisen können - trotz ausreichender Ernährung. Antibiotika verändern die Darmflora. Da sie in unserer Gesellschaft oftmals viel zu früh und zu häufig verordnet werden, betrifft dies eine Vielzahl von Personen. Eine Ansiedelung von Pilzen (Candida) und Vernichtung von wichtigen Bakterien ist die Folge, welche wiederum eine Grundlage für Nahrungsmittelunverträglichkeiten darstellen kann. Hinzukommt aufgrund der Völkerwanderung eine unterschiedliche „Verträglichkeit“ von Nahrungsmittel. Als Beispiel sei hier die Lactose-Unvertäglichkeit bei Asiaten und Afrikanern erwähnt. “Unpassende” Ernährung schädigt nicht nur das Verdauungssystem, sie hat auch Auswirkungen auf die Zähne (Karies) und die Zahnstellung. Dazu gibt es Studien, die bereits in den 30er Jahren in Amerika gemacht wurden. Wir können uns durch das tägliche Essen krank machen oder auch stärken und gesund erhalten (Paracelsus)."

Symptome und Anzeichen des Körpers

ISSGesund: Bei den meisten kleineren oder größeren Beschwerden, denken viele gar nicht an das Essen! Woran erkennt man am einfachsten, wann ein Problem mit der Ernährung zusammenhängt? Dr. Schwinger: "Ein Symptom ist immer ein Zeichen des Körpers, daß etwas (und diese Ursache gilt es zu finden) seine Balance gestört hat. Ich vergleiche ein Symptom gerne mit einem Puzzle, das eben aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist, wobei die Darmfunktion und die Art und Weise der Nahrungszufuhr immer einen essentiellen Bestandteil haben. Unser Darm ist das Wurzelwerk, das die Nährstoffe aufnehmen und weitertransportieren soll. Wenn hier eine Störung vorliegt kann dies individuell, je nach bereits vorbestehender Schwäche zu Funktionsstörungen führen. Zusammengefasst würde ich also sagen, alles was von einer „gesunden Verdauung“ abweicht, ist ein Zeichen. Nur hier stellt sich die Frage: Was ist eine optimale Verdauung? Hier driften die Vorstellungen, auch innerhalb der Ärzteschaft, weit auseinander. Zu Zeiten von Dr. F. X. Mayr waren die Bedingungen der Nahrungsmittelherstellung und Erzeugung noch in Ordnung, trotzdem erkannte er: wir leben nicht von dem, was wir essen, sondern nur von dem, was wir verdauen (Zitat-Dr. F. X. Mayr). Als Zeichen können Sie also eine zu rasche oder verzögerte Darmpassage, Blähungen, Völlegefühl, Sodbrennen, belegte Zunge und Müdigkeit ansehen. Darüber hinaus jede Form von Infektneigung (im Hals-Nasen-Ohren Bereich, Harnwegsinfekte), Zahnfleischerkrankungen, bis hin zu hormonellen Störungen und Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule."

Die Diagnose - Zusammenhänge verstehen

ISSGesund: Was genau kann der Ernährungsmediziner für einen Patienten tun? Wie wird eine Unverträglichkeit oder einer Allergie festgestellt? Dr. Schwinger: "Der Ernährungsmediziner kann ermitteln, ob ein Symptom mit dem Komplex Verdauung-Ernährung zusammenhängt oder mit etwas anderem. So können z.B. Rückenschmerzen oder hormonelle Störungen durch einen geschädigten Darm bedingt sein. Als Ärzte stehen uns sämtliche Möglichkeiten zur Diagnosefindung zur Verfügung. Danach kann der Therapieplan erstellt werden, den manche Ärzte selber ausführen, manche haben Diätologen oder Ernährungsberater an der Hand, die den Patienten überprüfend begleiten. Zunächst erstellt der Ernährungsmediziner eine gründliche Anamnese. Welche Beschwerden führen den Patienten dazu, einen Arzt aufzusuchen? Was möchte er erreichen und in welcher Zeit? Wie viel Anteil hat die Ernähungsweise und in welchem Funktionszustand befindet sich der Darm? Zur Ermittlung der Verdachtsdiagnosen gehören Untersuchungen wie Blutanalysen, Ausschluss oder Bestätigung einer Allergie (IgE-Zellvermittelt) bzw. Enzymdefektstörungen (Lactose-Fructose-Unverträglichkeiten) oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten (IgG-Zellvermittelt) sowie Allergie-Tests, die über die Haut durchgeführt werden. Falls erforderlich, sollte eine Gastro- bzw. Coloskopie durchgeführt werden. Der Patient sollte auch ein Ernährungsprotokoll mit Zeitangaben und dem Auftreten der Symptome führen - dies kann wesentlich zur Diagnosefindung beitragen. "

Die Umstellung - ein Aha-Erlebnis haben

ISSGesund: Ein Problem mit der Ernährung bedeutet für viele eine große Umstellung, deshalb trauen sich viele nicht über die Sache her. Nach dem Motto „Da darfst ja gleich gar nichts mehr essen“! Wie helfen Sie Ihren Patienten, von alten Ernährungsgewohnheiten wegzukommen, hin zu einer Gesunden? Dr. Schwinger: "Natürlich bedarf es einer Portion Neugier und Mut, sich auf was Neues einzulassen. Oder die Beschwerden sind groß genug, um „etwas tun zu müssen“. Die beste Motivation dann weiter zu machen, ist der Erfolg, der sich zwangsläufig einstellt. Wenn die Beschwerden durch die Ernährungsumstellung immer weniger werden und dies im eigenen Körper wahrgenommen wird, setzt ein „Aha-Erlebnis“ ein. Erfahrungsgemäß bleibt bei jeder Umstellung im Alltag „etwas hängen“ – oft sind es ja nur Kleinigkeiten, die bewusst gemacht, ausgetauscht oder gemieden werden sollten. Wichtig ist zu erkennen, daß man sich selbst so viel wert ist, seinen Körper auch innerlich zu pflegen und ihm etwas Gutes zu tun."

Ernährungstipp von Frau Dr. Schwinger

ISSGesund: Was ist Ihre persönliche Ernährungsempfehlung, ein kurzer Tipp als Ansporn! Dr. Schwinger: "Die Empfehlung, fettfrei zu essen, ist oft irreführend – gemeint sind dabei immer die tierischen Fette. Dagegen essen wir viel zu wenig hochwertige, pflanzliche Fette, die allerdings nicht erhitzt werden dürfen, um ihre Wirkung zu erhalten. Gießen Sie einfach frisches, kaltgepresstes Öl (Leinsamen, Kürbiskern, Oliven, Hanföl) über die fertige Speise! Das schmeckt und ist notwendig für die Aufrechterhaltung wichtiger Zellfunktionen."

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